Vor zwei Jahren hatte ich einen volkswirtschaftlichen Vortrag vor Abiturienten gehalten. Nachher fragte mich ein besorgter Schüler, welche Chancen er den künftig überhaupt noch habe, bei der Vielzahl an exzellent ausgebildeten jungen Menschen in Asien.
Ich erklärte ihm, dass wir große kulturelle Unterschiede haben; mit besonderen Stärken und Schwächen auf beiden Seiten. Während die Asiaten generell die Gemeinschaft in den Vordergrund stellen sind wir eher Einzelwesen. Sie sind eher Meister der Verfeinerung und Weiterentwicklung, während wir zumindest bis jetzt eher kreativ und auf Effizienzdenken ausgerichtet sind.
Warum sollten wir nicht auch künftig zum gegenseitigen Nutzen diese Stärken einsetzen?
Wirtschaftliche Ängste gibt es schon sehr lange.
Oswald Spengler schrieb 1918 das Buch „Der Untergang des Abendlandes“;J.J. Servan-Schreiber 1968 „Die amerikanische Herausforderung“ Seine These war: Die US-Amerikaner haben besseres Management und viel mehr Kapital. Als wird Europa bald eine wirtschaftliche Kolonie der USA. Hakan Hedberg schrieb 1972 „Die japanische Herausforderung“ und J.J. Servan-Schreiber dann 1980 „Die totale Herausforderung“. Trotz dieser Voraussagen stehen wir immer noch recht gut da.
Nehmen wir die wirtschaftliche Entwicklung Japans. In Stichpunkten:1960 entstand der Ikeda-Plan (10 Jahre); danach weitere Pläne. Protektionismus, Devisenbewirtschaftung, Produktkopierereien, Ministerium für Internationalen Handel und Industrie (MITI)
Im Gegensatz zu vielen deutschen Firmen dachten sie weltweit. Beispiel: Grundig. Entsprechend ihrer Mentalität (die Japaner gelten als Perfektionisten) verloren wir an sie die Foto- und Unterhaltungselektronik-Industrie. Aber z.B. in der Maschinen- und Autoindustrie sind wir immer noch äußerst stark. Ich habe bereits 1970 in einem Vortrag vorhergesagt, daß wir nicht verzagen sollten. Denn sie werden bald durch stark steigende Kosten für Lohnerhöhungen, Infrastruktur, Sozialsysteme und Umweltschutz immer weniger Preisvorteile haben. Und dann sind sie ein normales Hochindustrieland, mit dem wir interessante Wirtschaftsbeziehungen betreiben können.
Ähnliches passiert zur Zeit in China. Sie sind zwar auch Gemeinschaftswesen wie die Japaner, aber längst nicht so perfektionistisch sondern eher schnell und unkompliziert. Sie sind eine Handeskultur. Auch sie sind noch Meister im kopieren von Industriegütern, entdecken aber bereits den Patentschutz, weil sie inzwischen eigene Produkte entwickeln. Es kommen immer weniger Billigprodukte aus ihrem Land. So entwickeln auch sie sich zu einem Hochindustrieland wie wir das in Japan gesehen haben. Die chinesische Firma Lenovo ist nach HP weltweit bereits Nummer 2.
China sollte uns demzufolge keine Angst machen, sondern wir sollten uns vielmehr über immer interessantere Wirtschaftsbeziehungen mit diesem aufstrebenden Land freuen.
Wilfrid Uhlmann