Ist es nicht zutiefst menschlich, in die Zukunft zu schauen. Einzuschätzen, was könnte passieren und Methoden zu entwickeln, wie man aus der Ungewißheit Wahrscheinlichkeit oder gar ziemliche Sicherheit machen kann?
Hierbei verhalten sich Menschen ziemlich unterschiedlich. Der Risikobereite hört irgendwann auf, entsprechende Szenarien zu entwickeln. Er weiß, daß ihm das beim Erfolg hindern kann. Der Sicherheitsbewußte denkt mehr an den Erhalt des Erreichten als an neue große Erfolge. Also entwickelt er immer wieder neue Methoden, von denen er glaubt, Teile oder die ganze Zukunft in den Griff zu bekommen. Und das auch im volkswirtschaftlichen Bereich. Dabei denkt und handelt er oft naturwissenschaftlich. Er vergißt jedoch, daß die meisten Vorgänge in der Ökonomie wie auch in der Natur nicht vorausberechenbar sind.
Nehmen wir das Beispiel: Wetterbericht. Vor einiger Zeit zeigte im Fernsehen eine Meteorologin wie die Vorhersagen für die nächsten drei Tage mit drei unterschiedlichen mathematischen Verfahren grafisch aussehen. Alle drei Kurven waren nahezu deckungsgleich. Dann zeigte sie die Vorhersagen für die kommenden fünf Tage. Nun differierten alle Kurven stark. Wieso eigentlich? Es gibt kaum einen Bereich mit mehr Primärdaten (Meßstationen, Wetterballons usw) und mit größeren Rechnern als bei der Wettervorhersage. Offensichtlich geht es also nicht besser.
Auch im Bereich der Finanzwirtschaft will man oft Entwicklungen mathematisch berechnen.
Kennen Sie noch die Chart-Analyse im TV von Dr. Schulz? Diesen Unsinn gibt es nun schon lange nicht mehr.
Sagt Ihnen die Black – Scholes -Methode etwas? Sie wurde von den Ökonomen Fischer Sheffey Black, Robert Carhart Merton und Myron S. Scholes entwickelt.
Die erhielten 1997 dafür den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.
Scholes & Merton waren 1993 Mitgründer des Hedge Fonts „Long-Term Capital Management“. 1998, also nur ein Jahr nach der Nobelpreis-Verleihung machten sie einen Verlust von 4,6 Mrd. $. Das Ende kam im Jahr 2000.
Scholes legte sich zeitweise einen anderen Namen zu und wurde übrigens 2005 wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 40 Mio $ verurteilt.
Nehmen sie die vielen klugen heutigen Ökonomen. Da sind auch viele drunter, die glauben, die Zukunft mit hinreichender Genauigkeit berechnen zu können. Die unterschiedlichen Prognosen kennen wir alle.
Funktioniert haben diese Methoden also nicht.
In allen diesen Fällen wurde übersehen, dass Volkswirtschaft keine Naturwissenschaft ist, die man analytisch betrachten und berechnen kann.
Manchmal ist es besser, sich primär auf den gesunden Menschenverstand zu verlassen.
Der Finanzier George Soros hat in seinem Buch „Alchemie of Finance“ geschrieben, wenn die Finanzmärkte sich so verhalten hätten wie es kluge Ökonomen vorausberechnet haben, hätte er nie so viel Geld verdient wie er es wirklich hat.
Ich habe vor nun mehr als 40 Jahren Volkswirtschaft studiert und bin seit dem sicher, daß Ökonomie eine Mischung zwischen determinierbaren Faktoren (Wissenschaft) und Bauchgefühl ist. Erst beides zusammen produziert vernünftige Ergebnisse.
Wir brauchten uns heute nicht über Basel III zu unterhalten, wenn man die Finanzkrise 2008 richtig vorausberechnet hätte.
Wilfried Uhlmann