Wie halten wir unseren Wohlstand?

Wir waren gerade für eine Woche in Andalusien. Das lief mit Arbeitsteilung: Meine Frau spricht spanisch und ich hatte die Kreditkarte. Aber Spaß beiseite: Andalusien ist eine arme Region. Und das nicht erst seit der spanischen Immobilienkrise. Es gibt eine kleine reiche Schicht von Großgrundbesitzern und viele arme Menschen. Gut situierten Mittelstand gibt es kaum. Da sind wir glücklicher dran. Der Mittelstand in Deutschland ist die tragende Kraft für unseren Wohlstand. Wie ist der entstanden und was müssen wir tun, um ihn zu erhalten?

Gestatten Sie mir einen Rückblick in die Nachkriegszeit. Sie wissen ja, ich liebe geschichtliche Vergleiche. Auch für den Politiker sind Kenntnisse der Vergangenheit genauso wichtig, wie für den Arzt die Medizinkenntnisse. Obwohl sich Geschichte nicht genau wiederholt, gibt sie doch wichtige Denkanstöße und reduziert das Risiko, schon gemachte Fehler zu wiederholen.

Ich mag den Begriff Wirtschaftswunder nicht. Ich habe mal einige Punkte gesammelt, die belegen sollen, dass der Aufschwung seit 1945 kein Wunder war, sondern dass es dabei mit rechten Dingen zuging.

Industriedemontage durch die Siegermächte
Ergebnis: Neue und bessere Maschinen und Anlagen wurden installiert

Marschall-Plan
Er galt übrigens nicht nur für das besiegte Westdeutschland, sondern sollte in allen westeuropäischen Ländern helfen, ein Bollwerk gegen den Kommunismus zu sein. Dabei erhielt beispielsweise Frankreich doppelt soviel und UK fast dreimal so viel wie Deutschland. In Großbritannien wurde Churchill abgewählt und der dann folgende Premierminister Clement Attlee hatte nichts besseres zu tun, als zuerst die Sozialsysteme enorm auszubauen und einige Industrien zu verstaatlichen. Das Ergebnis ist bekannt.

Ludwig Erhard
Auch in den meisten anderen europäischen Ländern wurde die Wirtschaft deutlich staatlich beeinflußt. In der BRD hingegen legte Ludwig Erhard den Grundstein für unseren wirtschaftlichen Erfolg mit der sozialen Marktwirtschaft.

Im Lissaboner Vertrag wurde sie dann für alle EU-Staaten vereinbart.

Sozialer Konsens
In Deutschland herrschte Aufbruchstimmung und das Gefühl, in einem Boot zu sitzen. Es bildeten sich im Gegensatz zu einigen anderen Ländern kompetentere Sozialpartner. Auch Aktionen, wie der Slogan des Hamburger Abendblattes, der ersten unzensierten deutschen Tageszeitung: „Seid nett zueinander“ trugen zu diesem Klima bei. Ich habe 1971 in England noch erheblichen Klassenkampf erlebt.

Kaum Militärausgaben

Genügend motivierte und disziplinierte Arbeitskräfte

Schnell besser werdende Infrastruktur

Starke Zunahme des Welthandels

Flüchtlinge
Nach den Vertriebenen, die ja einen Querschnitt der Bevölkerung darstellten, flohen (sowohl freiwillig als auch einer drohenden Verhaftung entgehend) über mehrere Jahrzehnte oft überdurchschnittlich leistungsfähige Menschen aus der DDR zu uns. Das war ein Aderlaß für die DDR (was ja auch dann zum Bau der Mauer führte) und ein Gewinn für die junge Bundesrepublik.

Bildungssystem
Unser dreigliedriges Bildungssystem (welches uns immerhin einmal die Hälfte aller Nobelpreisträger gebracht hat) bildete junge Menschen mehr oder weniger nach ihren Neigungen und Fähigkeiten aus. Dennoch war es sehr durchlässig, daß sich auch„Spätzünder“ entsprechend entwickeln konnten.

Leider entsteht heute immer mehr ein „sozialistischer Bildungs-Einheitsbrei“, der oft auf die berufliche Realität nicht genügend vorbereitet.

Unser vorbildliches Duales System der Lehrlingsausbildung (von der Kammern, IHK und Handwerkskammern, und nicht vom Staat gesteuert!) wird inzwischen von vielen anderen Ländern kopiert.

Ausländische Arbeitskräfte / Gastarbeiter
Sie waren für unsere aufstrebende Wirtschaft dringend notwendig. Fast alle haben sich in unsere Gesellschaft integriert. Ein Beispiel für die heutige oft unkontrollierte Zuwanderung.

Werte
Eines meiner Lieblingsthemen sind die Werde, ohne die ein Land sich nicht zur Hochkultur entwickeln kann. So halte ich die Ansicht von Herrn Lucke, AfD, schlichtweg für falsch und eines Volkswirtschaftsprofessors für unwürdig, wenn er behauptet, die Lösung für die Mittelmeerländer wäre, wenn sie wegen ihrer wenig leistungsfähigen Wirtschaft aus dem Euro austreten und zurück zu ihren alten Währungen kehren würden. Wir hatten nach Einführung der DM im Jahr 1948 auch ganz unterschiedlich leistungsstarke Gegenden in Deutschland. Da gab es das arme Ostfriesland, den bayrischen Wald, aber auch das reiche Ruhrgebiet und Hamburg. Aber alle deutschen Regionen hatten ein gleiches Wertesystem. Dazu gehören demokratische Gesetze und die staatliche Fähigkeit, diese durchzusetzen. Unser Finanz- und Justizministerium funktioniert. Hier liegt der eigentliche Grund für die Probleme der Mittelmeerländer.

Das sind einige Gründe, weshalb wir auch ohne Wunder eine der erfolgreichsten Industrienationen geworden sind. Und zwar mit 60 Mio (nach der Wende mit 80 Mio Einwohnern im weltweiten Wettbewerb mit 7 Milliarden Menschen.

Situation heute

Ludwig Erhard würde heute sicher auch noch für seine Grundprinzipien kämpfen, aber auch einiges ändern und neue Vorschläge einbringen.

Wie denkt nun ein Landtagsmitglied der CDU darüber, der sich mit aktuellen und künftigen Wirtschaftfragen befasst?

Wilfried Uhlmann