Wir sind manchmal sehr sensibel, wenn es um die Verwendung von bestimmten Begriffen geht. Worte wie Negerkuß oder das berühmte Zigeunerschnitzel sind strikt verboten aber wir denken uns nichts dabei, wenn wir von Behindertentransport sprechen. Allerdings: Gegenstände werden transportiert; Menschen werden befördert.
Ich will hier einmal die Gelegenheit nutzen, um dafür zu werben, unsere Sprache in ihrer Vielfalt und Präzision auch anzuwenden.
Vor kurzem erhielt ich den Vorschlag für die Überschrift eines Referates bei der nächsten MIT-Veranstaltung. Man wolle über Megatrends sprechen. Inhaltlich wolle man hauptsächlich über Digitalisierung reden. Das verstand ich nicht. Denn Digitalisierung ist für mich ähnlich wie der Beginn der Industrialisierung (Muskelkraft wird durch Maschinenkraft ersetzt) ein grundlegender ökonomischer Wandel. Unter einem Trend verstehe ich eine Art „Mode“ die kommt und auch wieder geht.
In den Achziger Jahren wurde dieser Begriff von sog. Zukunftsforschern geprägt.
Sowohl „Megatrends“ als auch „Zukunftsforscher“ halte ich für typische Marketingbegriffe. Klingt „Megatrend“ doch positiver als beispielsweise „gesellschaftliche Veränderungen“ oder „Zukunftsforscher“ impliziert Seriosität. Aber sind nicht Forscher Menschen, die vorhandene und vielleicht noch unbekannte Dinge finden / untersuchen. Vielleicht trifft der Begriff Futurologe besser. Klingt aber nicht so wissenschaftlich.
In beiden Fällen werden hier Begriffe verwendet, um eine Betätigung bzw. deren Ergebnis möglichst positiv darzustellen.
Die beiden z.Zt. bekanntesten Futurologen, John Naisbitt und Matthias Horx haben über Megatrends etliche Bücher geschrieben. Sie verwenden den Begriff dabei sowohl für grundlegende, meist technische, Entwicklungen als auch für evtl. zeitlich begrenzte gesellschaftliche Veränderungen (Moden). So verlor das Wort „Megatrends“ zwar an Präzision, wurde aber weltweit bekannt und durch die intensive Publizierung. Heute kann sich jeder etwas darunter vorstellen. Übrigens hat der kluge Naisbitt sich abgesichert, indem er definiert hat, dass Megatrends eine Halbwertszeit von mindestens 10 Jahren haben müssen. Deshalb sollte man hier keine semantischen Diskussionen mehr anstellen, denn heute ist ja hinreichend bekannt, was damit gemeint wird.
Ich habe diese Gedanken zusätzlich auch deshalb geschrieben, um daran zu erinnern, wie vorsichtig man bei sog. Zukunftsforschern sein soll, wenn sie vollmundig Vorhersagen machen. So hat John Naisbitt einmal gesagt: „Die USA werden die Welt in den kommenden Jahrzehnten dominieren wie einst die Römer“. Oder Matthias Horx veröffentlichte im März 2001 einen ausführlichen Artikel in der „Welt“, indem er das Ende des „digitalen Rausches“ verkündete. „Die tägliche Nutzungsdauer des Internets werde abnehmen, besonders die Jugendlichen würden sich wieder vom Bildschirm verabschieden“. Der schönste Satz lautete: „Das Internet wird kein Massenmedium – weil es in seiner Seele keines ist.“
Natürlich brauchen wir Prognosen, um uns Gedanken über die Zukunft machen zu können. Nur sollen wir sie mit der nötigen Skepsis betrachten.